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Masaccio, die Perspektive und Europa
Ein Versuch über den Bilderrahmen
Leander Kaiser, 1988/2006
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Wenn Hegel sagt, die italienische Malerei seit Giotto habe die Gehalte der christlichen Religion "im Elemente des Sinnlichen zur Klarheit" gebracht, dann spricht er die intellektuelle Relevanz, die jene Malerei für ihre Zeitgenossen hatte, richtig an.

Bei den Bildern religiöser Thematik konnte kein Interesse daran bestehen, die Natur in ein fotographisches Gedächtnis einzuholen oder historische Vorgänge mit penibler Genauigkeit zu illustrieren, sondern der religiösen Phantasie des Betrachters das zu liefern, worüber sie selbst nicht verfügte. Baxandall beschreibt die Komplementarität von Bild und Betrachter am Beispiel Giovanni Bellinis:

"Bellini liefert nicht die Details von Personen und Orten (für die sorgte das Publikum selbst), er ergänzte nur das Innere des Betrachters. Seine Personen und Orte sind verallgemeinert, aber dennoch höchst konkret, und sie sind in Mustern mit starker narrativer Kraft geordnet. Keine dieser Eigenschaften, sei es die Konkretion oder das Modellartige, gleicht dem, was der Betrachter selbst mitbrachte, da man, wie eine kleine Introspektion zeigt, diese Eigenschaften in geistigen Bildern nicht bestimmen kann; keine von ihnen konnte sich vollständig entfalten, bevor nicht der leibliche Sehsinn zur Hilfe kam."

Dazu kommt als weiterer Umstand, den Baxandall unter Berufung auf Leonardo und Alberti hervorhebt, dass Gesten und Bewegungen das Hauptmittel für die Darstellung von Gemütsbewegungen waren - und nicht etwa die detaillierte Wiedergabe der individuellen Physiognomik und Mimik -, was der großen Bedeutung der Gestik im Alltag (und im Tanz) der Renaissance entspricht. Der intellektuelle Sinn des Renaissancebildes ist, dass es der individuellen Phantasie des Betrachters die Strukturen künstlerischer Einbildungskraft, das Vermögen der Synthese von Einzelbildern zu einer in sich geschlossenen, komplexen und dennoch sinnlich klar und folgerichtig aufgebauten Welt vermittelt.

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