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Masaccio, die Perspektive und Europa
Ein Versuch über den Bilderrahmen
Leander Kaiser, 1988/2006
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Kommen wir auf die Achsen zurück, in denen das Bild feststeht. Keineswegs sicher und natürlich gegeben ist ja auch die Fläche selbst. An anderer Stelle ausgeführt, dass die Fläche als Raum für die Vorstellung eines Raumes ein Resultat jenes kulturellen Prozesses ist, an dessen Anfang die ornamentale Ordnung steht. Das Ornament gibt die von ihm konstituierte künstliche Oberfläche frei und zieht sich in den Rahmen zurück. Dennoch ist die Flächigkeit dieser freigegebenen Fläche erst recht wieder eine Arbeit des Bildes. Theodor Hetzer hat darauf hingewiesen, wie Giotto, von dem die Kunstgeschichte üblicherweise nur das Voluminöse berichtet, die Fläche durch ein System von durch die Komposition hindurchgehenden Linien ausgespannt hat. Diese Linien können bei Giotto wie Masaccio auch als eine schrittweise Verschiebung von Achsen vom Rand weg gesehen werden. Eine Verschiebung, die zugleich die Herstellung eines Gleichgewichts im Schwerefeld des Bildgeschehens darstellt, d.h. einen Ausgleich zwischen Vertikalen und Horizontalen. Die Versetzungen bilden aus den Achsen, die sich schneiden, Dreiecke, die die Komposition stützen. Das Gleichgewicht reproduziert so auf höherer Stufe die Flächenkonstitution durch das Ornament.

Ich möchte hier darauf hinweisen, dass eine Bildfläche selbst ein Gegenstand im raum-zeitlichen Gefüge ist und a priori dreidimensional definiert ist. Die Flächigkeit des Bildes als solche ist daher nur ein tautologisches Auskunftsmittel für die Formierung der Fläche. Die Flatness der Modernen kann den Status des Bildes nicht klären. In dem Maß, als der Status des Bildes zum Problem wird, wird auch im 20. Jahrhundert die Darstellung von Räumlichkeit wieder wesentlich: so bei Rathko und Newman.

Zudem ist die Ordnung der Fläche als Bild nicht ihre Gliederung als Fläche sondern ihre Gliederung als Bild. Als Bildfläche unterliegt sie nicht der Kindlichkeit einer geometrischen Konstruktion, die geistig über den Einsatz von Lineal und Dreieck kaum hinausreicht. Sie unterliegt den Gesetzen des im Bildraum aufgehaltenen Sehens und der Narration von Gesten und Körpern. Die narrative Struktur des Bildes ist, dass sie uns ins Bild setzt.

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