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Masaccio, die Perspektive und Europa Ein Versuch über den Bilderrahmen Leander Kaiser, 1988/2006 pages: 1 | 2 | 3 | 4 | 5 | 6 | 7 | 8 | 9 | 10 | 11 | 12 | 13 | 14 | 15 | 16 | 17 | 18 | 19 | 20 | 21 | 22 | 23 | 24 | 25 | 26 | 27 | 28 | 29 | 30 | 31 | 32 | 33 | 34 | 35 | 36 | 37 | 38 | |
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Genauer gesagt: wenn man die Perspektive einfach als Konstruktion eines Schnitts durch die Sehpyramide auffasst, so ist ihre Leistung identisch mit der einer camera oscura oder eines Fotoapparats und perspektivische Malerei durch Chemikalien, die sich bei Belichtung verändern, ersetzbar. Die Fotografie ist ihrem Begriff nach diese falsche Vorstellung von der malerischen Perspektive. Die Dinge werden, ob sie wollen oder nicht, dem abbildenden Chemismus einverleibt. Die Setzung (Einstellung des Objektivs) ist dieser Schnitt durch den Sehkegel; das Inventar der Abbildung mag wie immer versammelt gewesen sein vor der Linse. Dieses Arrangement findet nicht im Bilde statt, es bleibt trotz aller Kunst außerbildliches factum brutum , von der fotografischen Reproduktion mehr oder weniger ästhetisierend dokumentiert. Die künstlerische Absicht des Fotografen bleibt eine äußerliche Intention, die wir durchschauen , aber sie ist nicht die Sprache, in der wir uns mit einem Bild unterhalten. Der malerischen Mimesis mit dem Hinweis auf die Fotografie ihre Überflüssigkeit vorzuhalten, ist eine geistige Bequemlichkeit, die so erst von den Propagandisten des Modernismus nach 1945 in Anspruch genommen worden ist; weniger von den Heroen der klassischen Moderne, die beim Abkupfern von Fotografien doch noch ein schlechtes Gewissen hatten – während heutige Maler, wenn sie Fotos abmalen sich durch die Mimikry an den Feind vor dem Gefühl des Unvermögens bewahrt glauben. Kunsthistorischer Bezugspunkt solcher Interpretation der Perspektive als Schnitt durch den Sehkegel sind neuerdings Rekonstruktionen von Brunelleschis Experiment vor dem Florentiner Dom, Rekonstruktionen, die im Prinzip darauf hinauslaufen, dass Brunelleschi etwas der camera oscura Ähnliches erfunden habe. Eher scheint es mir Brunelleschi darum gegangen zu sein, zu beweisen, dass die Fluchtpunktkonstruktion der räumlichen Erscheinung aus Grund- und Aufriss des dargestellten Objekts (des Baptisteriums, gesehen von den Stufen vor dem Mittelportal des Doms) unter bestimmten Bedingungen eine annähernd deckungsgleiche Anschauung wie die unmittelbare Anschauung provozieren könne. |
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