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Masaccio, die Perspektive und Europa Ein Versuch über den Bilderrahmen Leander Kaiser, 1988/2006 pages: 1 | 2 | 3 | 4 | 5 | 6 | 7 | 8 | 9 | 10 | 11 | 12 | 13 | 14 | 15 | 16 | 17 | 18 | 19 | 20 | 21 | 22 | 23 | 24 | 25 | 26 | 27 | 28 | 29 | 30 | 31 | 32 | 33 | 34 | 35 | 36 | 37 | 38 | |
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Die Deutung als ein begrifflich-deskriptives wortsprachliches Wissen lässt man dann rückwirken auf die Anschauung, die dadurch erst Tiefe und systematisch gegliederte Totalität wird. Was bei Hegel noch den Weg frei lässt für die denkende Anschauung und die sich wissende Anschauung (das Kunstwerk), ist bei den solipsistischen Konstrukteuren wortsprachlich konstituierter Welten zur Verleugnung der spezifischen Bewusstheit des bildnerischen Kunstwerks geraten. Wir sprechen hier nicht von der Unfähigkeit all dieser Ansätze, das dem Verstehen zu Grunde liegende Selbstbewusstsein abzuleiten. Wie in der Zweidimensionalität der Bildfläche von vornherein eine Positionierung im dreidimensionalen Raum und dessen Idealität gesetzt ist, so ist in der Bildsprache des Bildes von vornherein Sprache mitübersetzt und als ein Moment der Evokation inkludiert. Das Bild liefert nicht einen Ausgangspunkt wortsprachlicher Intersubjektivität, sondern bleibt als Orientierungssystem, in dem sich Sprachliches, Bildliches und Zeichenhaftes im Raum der Vorstellung und Einbildungskraft aufeinander beziehen, wesentlich auf ein betrachtendes Einzelsubjekt bezogen: dass es ein Orientierungssystem ist, diese Leistung ist das Maß seiner narrativen Kraft, der Eindringlichkeit seiner Erzählstruktur. Natürlich hat das Bild in diesem Sinne heute seine Bedeutung als Orientierungssystem im Weltanschaulichen eingebüßt. Es hat auch seine Funktion als Orientierungshilfe für das Erkennen bestimmter Personen, Topographien usw. verloren; eine Aufgabe, die in wenn auch sehr unvollkommener Weise von der Fotografie übernommen worden ist (denn die Fotografie stimmt mit unserem Sehen nur teilweise überein und ist limitiert durch die Einäugigkeit, Starre und einsinnige Gerichtetheit, die der perspektivischen Malerei fälschlich unterstellt worden ist). Die Storie hatten mit dieser Funktion nur nebenbei zu tun – wenn der Künstler etwa Stifter oder Mitglieder angesehener Familien mit dargestellt hat, eine wichtige Nebensache oder gar die Hauptsache für die Auftraggeber, von sekundärer Bedeutung für das, was das Bild leistet als Orientierungssystem. |
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