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Masaccio, die Perspektive und Europa
Ein Versuch über den Bilderrahmen
Leander Kaiser, 1988/2006
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Als erstes überliefertes Beispiel für einen durchgängig zentralperspektivischen Bildaufbau in der Malerei – man vergesse so nebenbei nicht die zum Teil früheren Reliefs von Donatello – wird fast immer das Trinitätsfresco Masaccios in Santa Maria Novella in Florenz angeführt, an dem sich die Anwendung der Perspektive vermeintlich ohne störende Zutat exemplifizieren lässt und gleich auch noch die Bestätigung dafür gefunden werden kann, dass die Dreieckskomposition die schlechthin typische Kompositionsform der Renaissancemalerei sei. Nun ist das Trinitätsfresco aber genau genommen gar kein Bild, sondern die mehr oder weniger illusionistische Darstellung einer sakralen Denkmalsarchitektur, vergleichbar mit dem gemalten Reiterstandbild des Giovanni Acuto von Uccello in Santa Maria del Fiore. Es handelt sich hier um eine Stellvertretung. Im Unterschied zu Uccellos Reiter gibt es in Santa Maria Novella verschiedene Realitätsebenen der Darstellung, die architektonische, die plastische, sowie die Figuren der Stifter, Heiligen und der Dreieinigkeit selbst, die sowohl als polychrome Plastiken wie als gemalte Lebewesen gelesen werden können. Das Darstellungsverfahren erinnert sehr direkt an die Lebenden Bilder, wie sie auf Prozessionswagen überall in Europa herumgezeigt worden sind. Aber selbstverständlich hat dieses gemalte Denkmal sehr wenig von der narrativen Struktur der Storie. Es ist eine der Seltsamkeiten der Kunstgeschichte, es in der Regel bei der Diskussion dieses Nicht-Bildes bewenden zu lassen, ohne die wirkliche Anwendung der Perspektive in erzählerischen Malereien in Augenschein genommen zu haben.

Roberto Longhi war nahe daran, den anhand des Zinsgroschen aufgedeckten Sachverhalt zu bemerken, gerade weil es ihm um den Unterschied zwischen Masaccio und Masolino und die Zuordnung ihrer respektiven Anteile an den Fresken der Capella Brancacci zu tun war. Er bespricht kurz ein von ihm Brunelleschi zugeschriebenes Relief, das er als eine mögliche Vorlage für die Komposition des Zinsgroschen sieht. Das Relief zeigt eine kreisförmig-elliptisch aufgestellte Figurengruppe, Thema ist eine Wunderheilung. Die Gruppe ist von schräg oben gesehen und hineingestellt in eine perspektivische achitektonische Schachtel, einen Platz in einer mittelalterlichen Stadt.

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