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Masaccio, die Perspektive und Europa
Ein Versuch über den Bilderrahmen
Leander Kaiser, 1988/2006
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Man geht davon aus, dass es mehr als 32 Zentren in verschiedenen Gehirnarealen gibt, die Seheindrücke verarbeiten, davon sind 25 ausschließlich mit dem Sehen beschäftigt. Zwischen diesen Zentren existieren mehr als 300 Verbindungen, ein Drittel aller derartigen Transmissionen im Gehirn. Es gibt kein Areal, dem man die Funktion eines Bildschirms zuschreiben könnte, auf dem die verschiedenen Datenreihen zu einem inneren Bild zusammengefasst werden könnten.

Das, was wir als Bild oder wie ein Bild sehen, bräche ohne die permanente Aperzeption eines intelligiblen Gegenübers, d.h. einer das Licht reflektierenden Außenwelt in sich zusammen. Das Sehbild ist nicht einmal die drei Sekunden, die man als die psychischen Intervalle des Jetzt gemessen hat, stabil. Es muss ständig neu aufgebaut werden. Das Gesehene selbst ist für uns der Spiegel, indem wir es widerspiegeln.

Was wir als Bild sehen, ist eine Projektion aus diesen Gehirnzentren auf die Außenwelt: sie ist der Bildschirm, die Zusammensetzung der Datenreihen zu einem Bild, das wir im Gehirn nicht finden. Ohne dieses Paradox, dass das Gesehene zum Werkzeug unseres Sehens und damit erst im Vollsinn sichtbar wird, ist der Vorgang des Sehens undenkbar. Wir konstruieren wohl die Welt, aber die Konstruktion gelingt immer nur mit Hilfe der Welt.

Das erklärt zum Teil auch, wie schnell sensuelle Deprivation zu Halluzinationen führt, die allerdings keine vollständigen Bilder darstellen – sowenig wie Traumbilder. Das Bild mag zwar im dunklen Schacht des Inneren hypothetisch immer schon geschlummert haben, aber erst die helle Sonne bringt es an den Tag . Dadurch übersteigt das Sehen die Komplexitätsgrenze des diskursiven Denkens und ist auch an die Kapazitätsschranken des menschlichen Arbeitsgedächtnisses nicht gebunden.

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