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Masaccio, die Perspektive und Europa
Ein Versuch über den Bilderrahmen
Leander Kaiser, 1988/2006
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Es ist ein bloßes Vorurteil, dass sich solche Malerei rein aufs Auge, auf einen von Körper und Bewegung abstrahierten und gar noch dazu starren Blick bezöge: das tut in Wirklichkeit erst die Malerei des 19. und 20. Jahrhunderts. Glaubt man, dass die dargestellten Häufen von Muskulatur, von Spannung, die knapp davor ist, sich in Bewegungen zu entladen, die weghaften Räume der Narration, die Dynamik des Gesamtaufbaus nichts mit der Körperlichkeit der Betrachter zu tun hatten, nur mit ihrer theoretischen und nicht mit ihrer leiblichen Anwesenheit vor dem Bild? Tut man in recht unsinnlicher Zeit nicht so, also hätte man Sinnlichkeit, Körperlichkeit, Geschlechtlichkeit gerade erst jetzt erfunden, und als könnten wir anderen Zeiten einen Mangel daran zum Vorwurf machen.

5. Was ist die narrative Struktur eines Bildes

Es ist gesagt worden, dass die Narrativität eines Bildes in seiner Lesbarkeit besteht. Aber was ist Lesbarkeit? Wir haben so die Frage nur verschoben. Das Bild als Bild ist lesbar, in dem es uns ins Bild setzt. D.h. in dem wir es weder als Illustration einer wortsprachlich übermittelten Erzählung lesen, noch nach sinnlichen Zeichen für allgemeine Bedeutungen aufschlüsseln. Die Allegorese des Bildes ist nicht Allegorie, sondern ein emblematischer Verweiszusammenhang. Einen emblematischen Zusammenhang nenne ich eine Kette von Hypothesen, Behauptungen, die erst durch den Verweis aufeinander und das in ihnen Abgebildete plausibel werden. Es erweist sich, dass der Eintreiber der Tempelsteuer mit dem Geldstück aus dem Bauch des Fisches bezahlt wird. Das ist eine relativ einfache Ebene.

Mit Sartre könnten wir das durch-das-Bild-ins-Bild-gesetzt-werden seinen Sinn vor aller wortsprachlichen Deutung nennen; aber dieser Sinn ist im Bilde rückbezogen auf den Prozess der Bildwerdung, ein immer erneutes Zeigen, sodass das Intersubjektivwerdens des Sinns in der Deutung immer wieder in der überschießenden Bewusstheit des Bildzusammenhangs aufgeht, der damit von neu Sinn freigibt. Das Bild ist nicht wie der Geisteswissenschaftler eine hermeneutische Maschine, sondern eine Maschine Deutungen hervorzurufen mit hinterhältiger Bewusstheit. Darin zeigt sich sein doppeltes Wesen, nämlich eine bildliche Darstellung zu sein, und ein Apparat, uns ins Bild zu setzen.

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