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Masaccio, die Perspektive und Europa
Ein Versuch über den Bilderrahmen
Leander Kaiser, 1988/2006
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Darin, könnte man sagen, folgt die Malerei ihrem eigenen Prinzip – das in dieser Form allerdings unzureichend formuliert ist – und vermag dadurch die äußeren Ursachen oder Einflüsse wie die des Theaters, der Lebenden Bilder , der Rhetorik und der die Antike rekonstruierenden Gelehrsamkeit sowie die biblischen Erzählungen in ihr eigenes Material, ihre Sprache zu übersetzen. Panofsky sieht überdies in Alberti einen Gewährsmann für seine problematischen Theorie des Durchsichtigwerdens der Bildoberfläche auf den gegenstandserfüllten Bildraum in der Renaissance, wogegen die Bildoberflächen des Mittelalters undurchsichtige und undurchdringliche Arbeitsflächen (auf die das Bildinventar sozusagen aufgetragen wurde) gewesen wären. Die Trivialität der Ableitung der Perspektive von perspicere ist hier nicht fern. Wichtiger ist der Unterschied, dass die Elemente des Bildes im einen Fall auf eine symbolische Ordnung oder auf ein himmlisches Urbild verweisen, während sie im anderen Fall Glieder einer Bilderzählung sind, die das Attributive nebensächlich macht, und erst in der Gesamtheit als Allegorese und Erklärungsmuster verständlich wird. Wird im ersten Fall das Bild eigentlich durch seine symbolische Deutung erklärt, so erklärt es im anderen Fall seine symbolischen Gehalte selbst, ist es selbst diese Deutung. Kann in dem einen Fall das verwandte Material, Gold, Lapislazuli, Silberoxydrot usw. für sich selbst Symbol oder Dekorum sein, also das Bild schon in seiner puren Stofflichkeit einen symbolischen Wert haben, so hat im anderen Fall symbolischen Wert nur der Stoff, der in ein Material der Darstellung transformiert worden ist und nicht mehr für sich selbst eine symbolische oder fetischistische Bedeutung hat wie das Gold. Die Unterscheidung von opak und transparent ist dem untergeordnet.

Als historische Illustration des perspektivischen Verfahrens findet sich oft Dürers Zeichner , der eine Figur durch einen Rahmen anvisiert, in dem im gleichen Abständen senkrechte und waagrechte Fäden gespannt sind, und auf seinem Zeichenblatt ein gleich proportioniertes Liniennetz vorbereitet hat. Das hat aber mit der perspektivischen Konstruktion - der costruzione legitima des Brunelleschi und des Piero della Francesca – im Prinzip nichts zu tun, denn bei dieser wird nicht nur hinausgemessen in den Raum, sondern der Raum selbst als eine geometrische Einheit konstruiert, in die das Gegenständliche dann erst eingebracht wird. Der Zeichner Dürers folgt den Konturen der Volumina, er konstruiert nicht den abstrakten Raum, den die Volumina für ihre Existenz voraussetzen.

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