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Das Goldene und das Dunkle
Ein Versuch über den Bilderrahmen
aus: Leander Kaiser, Das Goldene und das Dunkle, 1988
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Sehen wir davon ab, daß viele Künstler des 20. Jahrhunderts trotzdem bei herkömmlichen Rahmungsformen geblieben sind, und daß viele Bilder der „klassischen Moderne“ im nachhinein ihrem gestiegenen Wert gemäß prunkvoll gerahmt worden sind, wofür bis heute alte und nachgemachte Renaissance- und Barockrahmen bevorzugt werden; und betrachten wir nur kurz die Problematik der Präsentationsformen, die den herkömmlichen Rahmen überflüssig machen bzw. ihn durch etwas Besseres ersetzen sollen: Formen, die die volle und ungestörte Entfaltung der Eigenwirkung des Bildes ermöglichen sollen.

DAS IDEAL EINER rahmenlosen Bildpräsentation wäre das unvermittelte Auftauchen des Bildes aus dem Nichts, eine Vorstellung, der die Projektion eines Dias oder eines Films am nächsten kommt. Durch die umgebende Dunkelheit wird eine nahezu ausschließliche visuelle Konzentration auf das Lichtbild erzwungen. In gewissem Grad kann dieser Effekt bei Bildern durch Scheinwerfer oder – wie in manchen Kirchen – durch genaue Kalkulation des natürlichen Lichteinfalls erreicht werden: zu bestimmten Stunden ist dann das Altarbild oder eine Figurengruppe voll angestrahlt, während der Rest des Raumes im Halbdunkel liegt. Auch die Wirkung gotischer Glasfenster beruht ja zum guten Teil auf der rahmenden Bedeutung des Dunklen für die leuchtende Farbigkeit. Nun ist das Leuchten nicht die einzige Qualität der Farbigkeit eines Tafelbildes; Licht und Dunkel sind hier nicht wie beim Glasfenster getrennt, sondern bilden ein in sich geschlossenes, kontinuierliches Ganzes von Farbkontrasten, Tonwertabstufungen und Hell-Dunkel-Verhältnissen, das bei einer solchen Präsentation von den Bildteilen, die am stärksten aufleuchten, dermaßen dominiert wird, daß das Ganze visuell nicht mehr gleichmäßig zu erfassen ist. Die dunkleren Partien neigen hingegen wieder zur Konfusion mit der umgebenden Dunkelheit. Weitgehend unfassbar werden die Unterschiede zwischen Pastosem und Lasierendem, zwischen Rauem und Glattem, zwischen Magerem und Fettem. Der subjektive Eindruck des Betrachters ist die Überanstrengung der Augen. Was das Bild auf der einen Seite an Ausschließlichkeit der optischen Präsenz gewinnt, verliert es auf der anderen Seite an Sichtbarkeit in seiner Totalität.

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