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Das Goldene und das Dunkle
Ein Versuch über den Bilderrahmen
aus: Leander Kaiser, Das Goldene und das Dunkle, 1988
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Umgekehrt: weil man das Tafelbild selbst nicht in erster Linie als Schmuck versteht, schmückt man es mit einem solchen Hintergrund – und vor allem natürlich mit einem schönen Rahmen. Das decorum hat die Bedeutung der Auszeichnung.

Das Tafelbild tritt so an die Stelle des Heiligen Kreuzes, der Reliquie oder des Abbilds einer himmlischen Person, die man im Mittelalter mit Ornamenten und Bildern geschmückt hatte, etwa kleinen Szenen nach der Bibel oder der Heiligenlegende. Das Bild der heiligen Person, obgleich von Menschenhand gemalt wie alles andere, galt als getreues Abbild des himmlischen Urbilds, als vom Urbild ausgehende Projektion, dem Maler zwingend eingegeben, und damit selbst als heilig. Wie die erzählende Tafelmalerei ursprünglich ein Beiwerk der heiligen Bilder und Gegenstände war, so war die erzählende Wandmalerei eine illustrative Ergänzung der heiligen Handlungen des Kults, ein Hintergrund für die eigentlichen Objekte der Anbetung. Aus den schmückenden und illustrierenden Nebensachen wird dann bereits in der Protorenaissance des 13. Jahrhunderts und der Spätgotik die Hauptsache: aus den Geschichtchen werden die „storie“, die großen Erzählungen der Malerei. Das Tafelbild ist nun zwar kein Gegenstand religiöser Verehrung mehr, aber es erbt den Status des Heiligen im System der Dekoration. Und wie dieses braucht es selbst nicht unbedingt dekorativ zu sein.

Diese Stellung kann teilweise und zeitweise von anderen Dingen usurpiert werden, etwa von den Spiegeln. Aber der zentrale Ort im System der Dekoration bleibt dennoch vom Tafelbild definiert: die Reflexionen der Spiegel sind durch den Rahmen, der eigentlich ein Bilderrahmen ist, als „lebende Bilder“ gefasst. Natürlich dient das ganze dekorative Programm einschließlich der Bilder den Repräsentationszwecken, der Verherrlichung von Ruhm und Rang des „Hauses“ und dem Gesellschaftsleben, in dem dieser Rang manifestiert und verteidigt werden muß. Es ist der Rahmen für die Auftritte der wichtigsten Personen (des Adels und der Priesterschaft), aber jenseits der gesellschaftlichen Ereignisse stehen die Bilder ziemlich unangefochten im Mittelpunkt. Erst recht scheint dies in den wohlhabenden bürgerlichen Haushalten der Fall gewesen zu sein, etwa bei den Holländern des 17. und den Franzosen des 18. Jahrhunderts.

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