aktuelles

bilder

texte

interpretationen

dokumentation

links

kontakt

Das Goldene und das Dunkle
Ein Versuch über den Bilderrahmen
aus: Leander Kaiser, Das Goldene und das Dunkle, 1988
pages: 1 | 2 | 3 | 4 | 5 | 6 | 7 | 8 | 9 | 10 | 11 | 12 | 13 | 14 | 15 | 16 | 17 | 18 | 19 | 20 | 21 | 22 | 23 | 24 | 25 | 26 | 27 | 28 | 29 | 30 | 31 | 32 | 33 | 34 | 35 | 36 | 37 | 38 | 39 | 40 | 41 | 42 | 43 | 44 | 45 |

Genauso wie erstere ist Gold ein sinnlich-übersinnliches Ding, dessen Stofflichkeit eine aus der Stofflichkeit unerklärliche Potenz enthält. Die ästhetische Eigenschaft des Goldes, das Licht so zu reflektieren, daß der Lichtschein fast aus ihm selbst zu kommen scheint, macht es neben seiner leichten Verarbeitbarkeit erst recht zum idealen Material, um die Präsenz des Übersinnlichen zu demonstrieren.

Beim Goldhintergrund der mittelalterlichen Tafel- und Altarbilder tritt diese Wirkung, die auf der ästhetischen Natur des Materials beruht, gegenüber der Bedeutung des Goldes als geopferten Reichtums in den Vordergrund – obwohl auch diese letztere Bedeutung nicht verschwindet, und ein Symbolisieren des Übersinnlichen, Jenseitigen durch das Gold nur für Menschen, die dem Gold auch im Alltagsleben übersinnliche Eigenschaften zuerkennen, völlig glaubhaft ist. In Gestalt des Goldgrunds tritt die übersinnliche Welt als ein Ding gegen die sinnlich-anschauliche Welt auf, indem es die Farben, Formen, Räumlichkeit der Malerei überstrahlt, ja sogar auflöst. Diese Tendenz zur Auflösung der Form zugunsten der unmittelbaren Wirkung des Stofflichen ist ein Grundzug des Fetischismus, der im Goldgrund fortlebt.

Der feindliche Gegensatz zwischen Goldgrund und malerischer Gestaltung tritt erst bei den Gemälden des 13. und 14. Jahrhunderts richtig hervor, sobald die Figuren plastischer, der Raum bestimmter und die Farben leuchtender werden, die Malerei also das Symbolisch-Zeichenhafte abzustreifen und wirklich lebendig zu werden beginnt - wogegen das Gold bei flächig-symbolischen Darstellungen immer auch die Tendenz hat, zu einer Farbe unter Farben und zu einem Symbol unter Symbolen zu werden, anstatt allem sinnlich-anschaulich Geformten als dessen negierendes Jenseits gegenüberzutreten. Zwischen der Malerei und dem Goldgrund findet nun ein Kampf statt, der darum geht, ob die von der Malerei geschaffenen Figuren und Szenerien weiter in den Goldgrund eingebettet werden sollen, oder selbstbewußt in ihrer ganzen Lebendigkeit vor diesen Grund treten sollen. Duccio z.B. passt seine hochentwickelte Figuren- und Architekturmalerei versöhnlerisch dem Goldgrund ein, indem er ihn als allgemeines räumliches Fluidum interpretiert. Bei Giottos thronender Madonna in den Uffizien dominiert dagegen die Darstellung der körperlichen Volumina und die Figur tritt triumphierend vor den Goldgrund, der zu einem bloßen Hintergrund wird.

<<< / >>>