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Das Goldene und das Dunkle Ein Versuch über den Bilderrahmen aus: Leander Kaiser, Das Goldene und das Dunkle, 1988 pages: 1 | 2 | 3 | 4 | 5 | 6 | 7 | 8 | 9 | 10 | 11 | 12 | 13 | 14 | 15 | 16 | 17 | 18 | 19 | 20 | 21 | 22 | 23 | 24 | 25 | 26 | 27 | 28 | 29 | 30 | 31 | 32 | 33 | 34 | 35 | 36 | 37 | 38 | 39 | 40 | 41 | 42 | 43 | 44 | 45 | |
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Die Goldschranke, durch die der Barockrahmen das Bild zunächst optisch in den Hintergrund drängt, kehrt sich in ihrer Wirkung um, sobald wir das Bild aufmerksam und vom richtigen Standpunkt aus betrachten. Die Reflexion des Goldes blendet nun die Umgebung aus, die uns von der Betrachtung des Bildes ablenken könnte. Das Gold – als Material, das nicht spiegelt und doch alle Farben mit einem warmen, rötlichen Grundton reflektiert – verhält sich zur Farbigkeit des Bildes dabei neutraler als Schwarz und Weiß. So erfüllt der Goldrahmen, einmal, indem er das Bild optisch zurücknimmt, einmal, indem er es absolut in den Mittelpunkt rückt, auch die Aufgabe, den Betrachter auf den Hauptaspekt, unter dem das Bild seiner Konzeption gemäß gesehen werden soll, zu zentrieren, und die zufällige, unkonzentrierte Wahrnehmung hintanzuhalten. Der Barockrahmen gliedert das Bild in die architektonische Umgebung ein, aber er schützt es ebenso vor dem zerstreuten Blick. Was auch immer den Bildern durch ihre quantitative Anhäufung und Eingliederung in repräsentative Ensembles angetan wurde, sie behielten durch den Rahmen einen Bereich selbständiger Wirkung, der die konzentrierte Kontemplation ihrer intensiven Welthaftigkeit ermöglichte. Und dagegen verschwindet in den heutigen Ausstellungsräumen, die nur für die Kunst da sein sollen und die den Bildern ungleich mehr Platz bieten, mit dem eigenen Rahmen das eigene Territorium des Bildes, hört in ihnen das Bild auf, Gegenstand eines je spezifischen Kunstgenusses und einer auf das einzelne Bild gerichteten Kunstbetrachtung zu sein. VI. Der verschwundene RahmenMIT DEN SKULPTURALEN Oberflächen, die durch plastisch ausgeführte Schmuckformen den Unterschied zwischen verschiedenen Realitätsebenen und Lebenssphären zum Ausdruck brachten – wie den Unterschied zwischen Innen und Außen, Privatem und Öffentlichem, Heiligem und Profanem, Banalem und Imaginärem -, verschwinden im 20. Jahrhundert auch die dekorativen Systeme der Architektur, die auf jenen Unterschieden beruht hatten, solange sie überhaupt sinnvoll waren. |
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