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Das Goldene und das Dunkle
Ein Versuch über den Bilderrahmen
aus: Leander Kaiser, Das Goldene und das Dunkle, 1988
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Daß die zentrale Stellung der Bilder nicht in erster Linie von ihrer absoluten Qualität, ihrer selbständigen evokativen Potenz, sondern vom ikonographischen Gebrauchswert abhing, sollte allerdings nicht vergessen werden: schlechte und hohle Malereien okkupierten daher häufig die prominentesten Plätze – und für uns entsteht ein Gefühl der Leere, weil im Zentrum der Dekoration eine diese übersteigende intensive Welthaftigkeit und Subjektivität fehlen.

DAS ARISTOKRATISCHE KUNSTKABINETT des Manierismus und Barock gilt uns heute als besonders abschreckende Form inadäquater Bilderpräsentation: in ihm bedeckten Bilder und Rahmen oft alle verfügbaren Wandflächen von der Decke bis zum Boden. Rahmen an Rahmen formierten die Bilder eine geschlossene Bilderwand. Meist läßt sich weder eine wertende Auswahl noch eine Gliederung nach irgendwelchen Gesichtspunkten erkennen. Germano Celant nennt das die „quantitative Methode“ der Bildausstellung, die bis hin zu den Salons des 19. Jahrhunderts in Geltung sind.

Die Bedeutung von Breite und Üppigkeit barocker Rahmen wird erst richtig verständlich, wenn man bedenkt, daß in den Kunstkammern das eigene Ambiente des Bildes – der Raum, in dem es allein die Wahrnehmung beherrscht – eben nur bis zum Rand seines eigenen Rahmens, an den rundherum die Rahmen anderer Bilder stießen, ging. Auch sonst waren die Bilder von einer Fülle optischer Reize umgeben. Ohne den relativ breiten und optisch stark trennenden Goldrahmen hätte man überhaupt keine Chance gehabt, ein Bild einzeln zu betrachten. Der Rahmen war das ganze Territorium des Bildes oder – in der Terminologie des Stierkampfs – seine „querencia“: der Ort, den der Stier im Laufe des Kampfs zur Zuflucht wählt, den er mit allen Mitteln bis zuletzt zu behaupten sucht.

Klarerweise drängte das aristokratische Kunstkabinett die Bilder räumlich zusammen, um den Reichtum auf einem Haufen beisammen zu haben; der Gestus, mit dem die Bilder vorgeführt wurden, unterschied sich nur wenig vom Vorzeigen der Schätze der benachbarten oder im selben Raum befindlichen Kuriositätenkammer.

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