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Das Goldene und das Dunkle
Ein Versuch über den Bilderrahmen
aus: Leander Kaiser, Das Goldene und das Dunkle, 1988
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Wenn die Trierer Synode von 1310 ein plastisches oder gemaltes Bild des Namenspatrons über oder hinter dem Altar jeder Kirche vorschreibt, worin ein Ausgangspunkt für die Entwicklung des monumentalen Tafelbilds der Neuzeit gesehen werden kann, erscheint dies als Versuch, die Faszination des Bildes dem erlahmten Interesse an den Kulthandlungen dienstbar zu machen. Damit steht das Kunstwerk nun erstmals absolut im Mittelpunkt des Innenraums und des Geschehens; eine Stellung, die bis dahin nur dem Heiligen Kreuz, dem Tabernakel oder dem wundertätigen Heiligenbild zugekommen war, welche aber niemals als Kunstwerke oder als künstlerische Vermittlung der Glaubenswahrheit betrachtet, sondern angebetet, angefleht und verehrt worden waren.

Die Rahmen der Altarbilder sind von einer Pracht und Aufwendigkeit, wie sie der Rahmung von Bildern bis dahin noch nie zuteil geworden war. Der Stellenwert, den die Rahmung hatte, kann daran ermessen werden, daß in der Spätgotik und z.T. noch in der Frührenaissance die Kosten für Rahmen und Vergoldung das Mehrfache dessen betrugen, was der Maler für Arbeit und Material erhielt. Der Rahmen wurde zuerst in Auftrag gegeben, erst wenn die Tischler- und Schnitzarbeiten abgeschlossen waren, kam er zusammen mit der Bildtafel zum Maler, der sein Bild in den Rahmen hineinmalte, schließlich zum Vergolder. Die Bilder wurden in der Regel für einen Rahmen angefertigt, der schon vorhanden war.

Im Resultat ist das Bild mit dem Rahmen zu einer Einheit verwachsen. Der Gegenstand, den wir vor uns haben, ist kein Gemälde mit Rahmen, sondern ein Altarschrein, ein Chorgestühl, eine Reisealtar usf., lauter besondere Gegenständlichkeitsformen, zu denen das Gemälde unabtrennbar gehört. Es macht nichts, daß das Bild eine größere inhaltliche Bedeutung besitzt als das Gebilde, dem es einverleibt ist; daß der Rahmen ohne es leer wäre; es fehlt doch die Klarheit, ob das Bild dem Rahmen dient oder umgekehrt.

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