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Das Goldene und das Dunkle
Ein Versuch über den Bilderrahmen
aus: Leander Kaiser, Das Goldene und das Dunkle, 1988
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II. Denken im Rahmen

DIE GESCHICHTE DER Bilderrahmung und des Tafelbilds (als mobiler Gegenstand mit eigener Körperlichkeit) beginnt nicht erst mit der Renaissance, sondern geht auf die griechisch-römische Antike zurück. Allerdings nicht weiter und nicht in andere, außereuropäische Kulturen. Das Tafelbild ist eine rein europäische Erfindung und hat sich von da erst über die Welt verbreitet.

Betrachtet man Bilderrahmung in einem weiteren Sinn als den, plastischer Perimeter des Tafelbilds zu sein, so wird man in allen Kulturen, die über das jungsteinzeitliche Bauerntum hinaus zur städtischen Revolution gekommen sind, Bilder mit einem bestimmten Grad an Welthaftigkeit finden, die immer mit solcher Selbstverständlichkeit gerahmt sind, daß darin eine nicht bloß ästhetische Gesetzmäßigkeit vermutet werden muß. Dabei kann die Rahmung in architektonischen Formen, einfachen Begrenzungslinien, gemalten Ornamenten, Farbfeldern, den uns vertrauten Bilderrahmen oder in raffinierteren Formen der Präsentation bestehen, die die explizite Rahmung ersetzen, wie bei den Japanern. Die Begrenzung durch rahmende Formen, in welcher Weise auch immer, drückt überall den Unterschied zweier Realitätsebenen aus, den Unterschied zwischen einem mimetischen und einem nicht-mimetischen Bereich, zwischen Symbolischem und Anthropomorphem, zwischen einer Sphäre niederer und höherer Komplexität, zwischen dem keiner Erklärung Bedürftigen und dem Sich-selbst-Erklärenden. Von daher könnte die Rahmung des Tafelbilds als nur technisch bedingter Sonderfall der allgemein üblichen Rahmung bildlicher Darstellungen gesehen werden; was aber die spezifische Entwicklung dieser Rahmungsform nicht erklärt.

Endlich ist die Hervorhebung durch einen speziell gestalteten Rahmen nicht nur den Bildern vorbehalten; Rahmen finden sich ebenso um Plastiken und Reliefs, Spiegel und Goldschmiedearbeiten, Fenster und Türen; Schauspieler agieren in einem Bühnenrahmen, auch Fürsten und Priester pflegen in irgendeiner Form gerahmt aufzutreten, durch Baldachine, Throne, durch die auf den Altar oder Thron als Mittelpunkt ausgerichtete Architektur…

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