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Das Goldene und das Dunkle
Ein Versuch über den Bilderrahmen
aus: Leander Kaiser, Das Goldene und das Dunkle, 1988
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Aus den magischen Handlungszeichen entwickelt sich das Ornament. Es ist das ästhetische Mittel zur Formierung einer von den Naturdingen prinzipiell verschiedenen Oberfläche, zum Ausdruck einer mythologischen Ordnung der Dinge, die Über und hinter allen Einzelheiten der Anschauung steht. Weil es selbst flächig ist, kann es den plastischen Formen der Gegenstände folgen, sie allseitig einhüllen. Dem Ornament darin z.T. gleichwertig sind Farben und Materialien, die in reiner Qualität in der Naturumgebung kaum zu finden sind: Purpur, Gold, Silber, Lapislazuli (Ultramarin); aber auch reines Weiß, Schwarz und Rot: Farben und Materialien, die später allegorische Bedeutung für die konventionelle Kennzeichnung sozialer Unterschiede – z.B. in der Kleidung – und symbolische Bedeutung in der Malerei bekommen. Doch das Ornament spiegelt am präzisesten das Leben der Menschen in der Jungsteinzeit – der Zeit des Übergangs von den Wanderungen der Jäger und Sammler zur festen Niederlassung der Bauern und zu den geregelten Reisen der nomadischen Viehzüchter; ein Leben, das sich durch zyklische Regelmäßigkeit und feste Einbettung des Einzelnen in den sozialen Organismus kennzeichnet. Das Ornament entspricht der Geordnetheit des Lebens in immer wiederholten gleichen Abläufen, eine Ordnung, die durch ebenso regelmäßig wiederholte magische Praktiken und Rituale sichergestellt werden soll.

Die Jungsteinzeit ist die eigentlich schöpferische Periode der europäischen Geschichte auf dem Gebiet der Ornamentik; die ornamentalen Ordnungen der Antike, des Mittelalters und der Neuzeit gehen großteils auf sie oder auf Reste des neolithischen Bauerntums, das sich z.B. in Irland bis ins Mittelalter erhalten hatte, zurück. Das Neolithikum wird beendet durch die „städtische Revolution“: durch Arbeitsteilung, Handel, Privateigentum, Bronze, Schrift und Staat. Aber die „Stadt“ blieb lange noch eingekreist vom neolithischen „Land“.

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