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Das Goldene und das Dunkle
Ein Versuch über den Bilderrahmen
aus: Leander Kaiser, Das Goldene und das Dunkle, 1988
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Dennoch wird den Bildern wenigstens ihre „querencia“ gelassen. Die Exposition des Reichtums geht zwar auf die Bildermenge, läßt aber dafür jedes einzelne Gemälde ohne Wertung und Eingliederung in einen kunsthistorischen, biographischen oder thematischen Zusammenhang für sich gelten und wirken.

Zu viele Rahmen nebeneinander oder Rahmen, die stärker wirken als das Gerahmte, bilden immer ein Gitter. Die Anweisung, die der Rahmen gibt, sich zu dem in ihm Enthaltenen als Kunstwerk zu verhalten, verselbständigt sich zu einer ständig wiederholten Anweisung, die als solche das Bewusstsein des Betrachters okkupiert: Schau! Bild! Bild! Bild! Das aristokratische Kunstkabinett schert sich nicht um die Welthaftigkeit des einzelnen Bildes, sondern macht es zum Bestandstück eines interessanten Bilderzoos, dessen Insassen aus dem Rahmengitter hervorblicken. Und dieser Eindruck einer traurigen Gefangenschaft der Bilder wird noch verstärkt, wenn die Rahmung für alle Bilder einheitlich oder gar mit relativ glatten schmalen Leisten erfolgt ist. Immerhin blicken die Bilder noch hervor, während sie später blicklos geworden sind: und dies ist doch z.T. wieder ein Verdienst des Goldrahmens.

Immer erfüllt der Rahmen die Funktion, verschiedene Sphären zugleich voneinander zu trennen und miteinander zu verbinden. Er muß beiden Sphären, zwischen die er geschoben ist, gerecht werden, was gleichzeitig nicht möglich ist. Daher wird er seine Funktion umso besser erfüllen, wenn er jeweils einer Sphäre voll und ganz anzugehören scheint, je nachdem, unter welchem Aspekt und mit welcher Absicht man Bild und Rahmen sieht. Das Portal einer romanischen oder gotischen Kirche verwehrt durch die Bedeutsamkeit, ja Bedrohlichkeit, die es dem Eingang ins Kircheninnere verleiht, das absichtslose Hineinschlendern; aber wenn wir uns ihm in ernsterer Absicht nähern, entwickelt es eine Sogwirkung, die uns ins Innere zieht. So fungiert das Portal einmal als Teil des Inneren, welches Geborgenheit und Seelenheil verheißt.

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