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Das Goldene und das Dunkle
Ein Versuch über den Bilderrahmen
aus: Leander Kaiser, Das Goldene und das Dunkle, 1988
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Auf die Dauer und allgemein haben sich diese Rahmungsformen nicht durchgesetzt. Aber die Struktur, daß wir das Bild durch den Rahmen wie durch ein Fenster sehen, hat sich in nahezu allen Rahmungsstilen der Neuzeit bis zum Jugendstil erhalten.

Dies, daß wir das Bild durch den Rahmen und nicht in ihm, nicht zusammen mit ihm sehen, schließt ein, daß wir die Bildwelt getrennt vom umgebenden Kontext betrachten, und daß der Rahmen für die inhaltliche Interpretation des in ihm enthaltenen Bildes letztlich auch nicht mehr Relevanz besitzt als ein Fensterrahmen. Seine Hauptfunktion ist nun die suggestive Aufforderung der Wahrnehmung.

Natürlich wurde in die Rahmung nach wie vor auch der weltanschauliche und institutionelle Kontext eingearbeitet, in dem sich Bild und Betrachter befanden. Die Rahmungsformen waren mehr oder weniger deutlich nach Thematik und Aufstellungsort der Bilder – im kirchlichen oder weltlichen, öffentlichen oder privaten Bereich – differenziert. Sie signalisierten, ob es sich um ein Bild religiösen oder antik-mythologischen Inhalts, um ein bürgerliches Portrait oder um ein Herrscherbildnis handelte. Die Ikonographie des Bildes fand im Dekor des Rahmens oft eine Fortsetzung, in symbolischen Konfigurationen oder ornamentalen Ordnungen, die bestimmten Themata vorbehalten waren. Aber diese Symbole, Ornamente usw. werden meist so angebracht, daß Tektonik und plastische Grundform des Rahmens nicht gestört werden. Ihre symmetrische Verteilung über alle Seiten des Rahmens macht sie zu Dekorelementen, die eindeutig dem Gemälde – als ihrer Mitte – untergeordnet sind. Der Rahmen subsummiert das Bild nicht mehr unter den Kontext, sondern den Kontext unter das Bild.

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