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Eine ästhetische Religion? Schönberg und der moderne Irrationalismus Referat beim Symposion Schönberg und sein Gott im Arnold Schönberg Center Wien Leander Kaiser, Wien, Juni 2002 pages: 1 | 2 | 3 | 4 | 5 | 6 | 7 | 8 | 9 | 10 | 11 | 12 | 13 | |
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4. Mir kommt vor, daß sich Schönberg auch bei der sehr selbstbewußten Einschätzung seines malerischen Talents die Inspiriertheit, die Fähigkeit zur "reinen Schau" zugute gehalten hat. Deswegen ist das Einzige, das ihm an Kandinskys Aufsatz über seine Bilder nicht gefällt, daß dieser den Naturstudien, die Schönberg als bloße Übungen ansah, den Vorzug gibt gegenüber den "Visionen" und "Blicken". Bekanntlich interpretiert Kandinsky Schönbergs Naturstudien unter der Kategorie des "großen Realen": die Seele des Pneumatikers wird durch die äußere Natur in eine Vibration versetzt, die ihm hinter dem Schleier der Maja, dem geistlosen Schein der Materie, den inneren Klang, das Geistige auch im Äußeren sichtbar werden läßt. Ich nehme an, daß er über Gabriele Münter nicht anders gedacht hat. Das "große Abstrakte", aus der "inneren Natur" gespeist, stand ihm jedenfalls höher. (15) An den "Visionen" läßt sich sehen, daß Schönberg schon vor der Bekanntschaft mit Kandinsky mit der Theosophie vertraut gewesen sein muß. Denn sie suchen die Aura, die Geistergestalt von Personen sichtbar zu machen, eine Schau, die Rudolf Steiner angeblich von klein auf gegeben war. Dem Steinerschen Denken stehen m. E. auch die Christusvisionen nahe. (16) In den mehr ikonischen Selbstportraits scheint mir die Schau selbst, der absolute Blick, thematisiert zu werden. Für mich künden diese Selbstportraits von einem Bewußtsein der Auserwähltheit durch die Vorsehung. Für Kandinsky, der sich selbst für einen Auserwählten hielt, mußte Schönbergs malerische Sendung in dem Bereich liegen, in dem dieser keine Konkurrenz für ihn darstellen konnte – wie denn auch Schönberg umgekehrt die gemalten Großformate Kandinskys in ihrer Prätention, dem Betrachter in ein der Musik gleichartiges Erleben von Farben und Formen zu involvieren, kritisiert und die simultane Überschaubarkeit als das dem Bilde gemäße gegen sie eingefordert hat. |
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