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Eine ästhetische Religion? Schönberg und der moderne Irrationalismus
Referat beim Symposion Schönberg und sein Gott im Arnold Schönberg Center Wien
Leander Kaiser, Wien, Juni 2002
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Das gnostisch-irrationalistische Denken hat sich damals als die Moderne, das Denken der Zukunft, des neuen Jahrhunderts gesehen. Kandinsky hat das Voranschreiten der Kunst zu immer neuen Formen mit dem Höhersteigen der Seele zu den rein geistigen Wesenheiten in Verbindung gebracht; das Neue, das der Zukunft stets vorangeht und in ihr triumphieren wird, legitimiert die künstlerischen und – weit verhängnisvoller – die politischen Avantgarden. Dieser je nachdem auf Apokalypse und Erlösung oder auf Dauer gestellte Messianismus ist die Atmosphäre, in der sich Schönberg vor allem in der Zeit vor und während des Ersten Weltkriegs intellektuell bewegt hat.

2.

Direkte Äußerungen Schönbergs zu Theosophie und Anthroposophie sind mir nicht bekannt. Indirekt legt ein Brief von Gabriele Münter vom 20.8. 1912, in dem sie Schönberg das Buch "Siderische Geburt" empfiehlt, nahe, daß es zwischen den Kandinskys und Schönberg zumindest mündlichen Austausch über okkulte und esoterische Themen gegeben haben muß. (6)

Bekennende Theosophen und Anthroposophen im Umkreis Schönbergs sind jedoch bekannt. Einer von ihnen, Walter Klein, durfte noch 1924, in der Festschrift zum 50. Geburtstag des Komponisten, Schönberg für die Theosophie reklamieren. Der Beitrag steht an prominenter Stelle, gleich nach den Texten von Schönberg selbst, Adolf Loos und Webern, und hätte so wohl nicht ohne Billigung Schönbergs erscheinen können. Klein bezieht sich in erster Linie auf den Text des Oratoriums "Die Jakobsleiter". Die grundlegende Abhandlung über "Die Jakobsleiter", in der das Ineinander alttestamentarischer, christlicher und gnostischer Motive sowie der literarischen Anregungen – Goethe, Strindberg, Balzacs Seraphita vor allem – analysiert wird, hat Karl Werner 1970 publiziert. (7) Diese Untersuchung gibt, jedenfalls, was die "Jakobsleiter" und die Zeit ihres Entstehens anlangt, dem Theosophen Klein recht. Der schreibt:

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