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Eine ästhetische Religion? Schönberg und der moderne Irrationalismus
Referat beim Symposion Schönberg und sein Gott im Arnold Schönberg Center Wien
Leander Kaiser, Wien, Juni 2002
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An Schönberg, der sich als deutscher Protestant sehen wollte und sich – jedenfalls bis 1922 – als Glied der weißen Rasse in Sicherheit wiegte, ist dieser Kelch nicht vorübergegangen. Im Deutschtum hat er noch nach dem "Mattsee-Erlebnis" einen sinnverbürgenden Zusammenhang gesehen, in der Hoffnung, die Zwölftonmethode werde der deutschen Musik auf weitere hundert Jahre die Überlegenheit sichern. Seine Vorstellung von der Musik als die vielen Einzelnen vereinigendes Gemeinschaftserleben und sein Wunsch, durch seine Kompositionen ein solches Erleben zu bewirken, erklärt wohl auch seine frühe Verletztheit durch Mißfallenskundgebungen von Teilen des Publikums bei einigen Aufführungen; während heutige Künstler dankbar wären für den Skandal.

Daß Schönberg der deutschen Musikideologie erlegen war, zeigt noch die spätere Verschiebung der nationalreligiösen und gnostischen Elemente seines Denkens auf das Judentum.

6.

Ich bin nicht kompetent, was die Musik Schönbergs anlangt, aber ich möchte abschließend zwei Punkte anführen, in denen er als Musiker diesen insgesamt kollektivistischen und irrationalistischen Neigungen widerspricht.

Die klangliche Struktur der meisten Werke schließt ein "Aufgehen in der Musik", ein "sich dem musikalischen Gemeinschaftserlebnis Überlassen" aus. Die Aufmerksamkeit wird stets gefordert, und wenn auch ein Zustand belebter Aufmerksamkeit erreicht wird, der dem kantschen Verständnis vom freien Spiel der Vermögen im Kunstgenuß durchaus entspricht, bleibt der Nachvollzug immer bewußt und individuell. Auch wenn ein Chor davon vor sich hin singt, daß "Du dir kein Bild machen sollst", gelingt die Überwältigung des individuellen Vorstellungsvermögens nicht. Die Sprache von Schönbergs Musik spricht von Individuum zu Individuum.

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