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Kandinsky, die Musik und Madame Blavatsky

Leander Kaiser, Wien 2001
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Kandinsky hatte den Vorteil, neben der Kenntnis der künstlerischen Entwicklung in Westeuropa auch mit der Rußlands vertraut zu sein. Wer würde bei unserem Thema nicht an Mussorgsky denken, zu dessen Bildern einer Ausstellung Kandinsky 1928 für eine Aufführung in Dessau Bühnenbilder geschaffen hat.5 Oder an Skrjabin, der seine Oper Prometheus auf musikalischen Korrespondenzen zu Schattierungen der Farbe Blau aufgebaut hat, wodurch "die Farben zu Tönen werden wie in Kandinskys Bildern die Töne zu Farben", so Karl Woermann 1922 in seiner Geschichte der Kunst.6 Die Kandinskysche Vorstellung von einer "Bühnenkomposition" aus Farbe, Licht, Musik und Bewegung verdankt meines Erachtens viel der Idee des im Ritus der russisch-orthodoxen Kirche verwirklichten Gesamtkunstwerks, wie sie z.B. Pavel Florenskij formuliert hat.7 Für die Entwicklung Kandinskys als Maler kann der Einfluß der russischen Kunst von der Volkskunst über den Symbolismus, Rayonnismus usw. bis hin zum Suprematismus nicht hoch genug geschätzt werden: als konsequent ungegenständlicher Maler ist ihm Malewitsch durchaus vorangegangen. Bei dem künstlerisch weit begabteren Kandinsky finden sich bis in die 1920er Jahre immer wieder Rückgriffe auf den Gegenstand, insbesondere landschaftliche Assoziationen. Die spätere Entscheidung Malewitsch' für einen figuralen Symbolismus tut hier nichts zur Sache.

Nicht zuletzt ist der in Rußland geborenen Begründerin der Theosophie, Helena Petrovna Blavatsky, Erwähnung zu tun, deren Ideen nicht nur auf Kandinsky sondern auch auf andere Begründer der abstrakten Malerei nachhaltigen Einfluß ausgeübt haben.8 Wenn im Folgenden die Verbindung einer Spielart des Kantianismus – nämlich des Herbartismus – mit Ideen der Theosophie, Ariosophie und Anthroposophie im Denken Kandinskys skizziert wird, sollte auch der Bezug zu Arnold Schönberg nicht außer Acht gelassen werden; nicht nur, weil Kandinskys in dem Aufsatz Die Bilder seine wichtigsten Gedanken Schönberg sozusagen persönlich dediziert hat9, sondern auch, weil uns eine wichtige Vermittlungslinie ins Wien des 19. Jahrhunderts zurückführt.