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Künstlergespräche
Gespräch mit Leander Kaiser
Annabel Kienle, Wien, 1998
Der Text ist Bestandteil der Diplomarbeit von Anabel Kienle an der Universität Münster.

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LK: „Die 'transzendentale Sachlichkeit', was immer mit diesem holprigen Ausdruck gemeint gewesen sein mag, war natürlich kein Realismus, sondern letzten Endes Anlanden am 'mythischen Grund der Erscheinungen' oder 'Realität der Träume in den Bildern'. Beckmann formuliert manchmal etwas teutonisch; als Realitätsbezug geht das in der Tat nicht über die Forderung, 'sich vom modernen Leben inspirieren zu lassen' hinaus (seine spätere Malerei – of course – geht darüber hinaus).“

AK: „Das Unsichtbare sichtbar machen durch die Realität, aus der gegebenen Gegenwart die Brücke zum Unsichtbaren zu finden und so tief wie möglich in das Sichtbare einzudringen, war Beckmann sein Leben lang erklärtes Ziel. Welche Realität wollen Sie dem Betrachter vermitteln?“

LK: „Die Realität des Bildes ist die Bildwirklichkeit, das heißt die Erzeugung eines ästhetischen Scheins. Die Bildwirklichkeit kann Modell für das sein oder die Scheidung verschiedener Realitätsebenen: sinnliche Gegenwart – Vorstellung – Zitat – Erinnerung – Symbol – einzelne Tatsache – gesellschaftlicher Reproduktionsprozeß (=Wirklichkeit). Zum Beispiel kann Warhols Brillo-Box als Denkmodell für eine Entwicklungsstufe der Warenwelt gelesen werden, in der uns Umwelt produziert und multipliziert – wie ein geläufiges Zitat – gegenüber tritt. Die Dinge haben ihre Individualität verloren. An die Stelle möglicher Empathie ist die bloße Reaktion getreten. Das heißt, ich frage mich, was die Bilder leisten. Leisten meine Bilder z.B. Orte zu schaffen, worin Gegenwart und Vergangenheit in einen neuen Zusammenhang gebracht erscheinen? Leisten sie, in diesem Ort das menschliche Subjekt plausibel erscheinen zu lassen? Alle Malerei ist Anthropologie vor der Wissenschaft. Die Frage ist letztlich: Was ist der Mensch? Und welche menschliche Gesellschaft ist vorstellbar, kann ich mir erzeugen?“

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