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Inszenierungen auf der Leinwand
Auszüge aus einem Gespräch mit dem Maler und Philosophen Leander Kaiser über das Theatralische in der Malerei
Irene Prugger/Leander Kaiser, Innsbruck 1994
INN, Zeitschrift für Literatur, 11. Jg., Nr. 33, November 1994, S. 10-13.
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Von der klassischen Moderne in der Malerei wird unter anderem behauptet, daß sie sich vom Theatralischen abwende. Daß sie sich im Unterschied zur Malerei des 19. Jahrhunderts ausschließlich auf ihre Mittel besinne: die Fläche, elementare Formen und Farben und die sich daraus ergebenden Beziehungen. Daß sie also abtue, was in der Malerei des 19. Jahrhunderts auf die Spitze getrieben wurde – nämlich die Versuche, in einem illusionistischen Szenario historische Begebenheiten, Gefühle, Leidenschaften möglichst naturgetreu zu schildern. Es gab da recht fragwürdige Inszenierungen. Am Ende des 19. Jahrhunderts malte zum Beispiel ein Maler einen Christus, der über den Wassern wandelt. Vor dem Bild arrangierte der Künstler Topfpflanzen. Zudem beleuchtete er die Szene so geschickt, daß für den Betrachter tatsächlich der Eindruck entstand, hier schreite jemand übers Wasser. Zu dieser Zeit gab es sowohl beim Bühnenbild als auch in der Malerei eine Überspitzung des Illusionismus. Dem Betrachter wurde die Illusion eigener, unmittelbarer Naturanschauung suggeriert. Das hat es im Barock und in der Renaissance nicht gegeben und führt eigentlich schon zur Fotografie und zum Film hin.

Die Bühne als Metapher für die Welt

Die Auffassung, daß die klassische Moderne sich durch das Besinnen auf die eigenen Mittel der Malerei gegen das Theatralische gewandt habe, vertritt zum Beispiel André Malraux in seinem „Imaginären Museum“. Diese Position ist aber nicht ganz stimmig. Erstens gilt es höchstens für die Figuren- und Historienmalerei. Zweitens, glaube ich, ist das Theatralische der Malerei gar nicht so äußerlich. Denn auch im 20. Jahrhundert bleibt die Malerei vom Theatralischen abhängig. Ein herausragendes Beispiel dafür ist Max Beckmann, der die Bühne und das bühnenhafte Auftreten des Menschen als eine Bildform entwickelt hat. Auch Maler, die man dem Postexpressionismus und dem Neorealismus zuordnen kann – z.B. Francis Bacon – lassen ihre Figuren in einem bühnenhaften Rahmen agieren.

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