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Künstlergespräche
Gespräch mit Leander Kaiser
Annabel Kienle, Wien, 1998
Der Text ist Bestandteil der Diplomarbeit von Anabel Kienle an der Universität Münster.

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AK: „Über die Figurenbilder hinaus setzen Sie sich auch mit dem Sujet des Stillebens auseinander. Meine Beobachtungen beziehe ich nun konkret auf das derzeit einzige mir bekannte Stilleben Notturno: Auf dem großen Radleuchter flackert eine Kerze, hinter dem goldenen Spiegel steht eine schwarze Figur, die dem Betrachter geheimnisvoll ihren Rücken zuwendet. Vom Rund des Leuchters hängt ein rotes Tuch herab, das dem Betrachter am nächsten zu sein scheint. Die Raumwirkung ist eine unsichere, der Tisch klappt weit nach hinten, das Tischtuch schlägt auf der vordersten Kante zurück usw. Wie auch Max Beckmann in seinen Stilleben, Porträts etc. nehmen Sie vom Motiv her verschiedene Gegenstände und spielen mit Attributen, wie Kerzen, Draperien, Spiegeln, die in der Stillebentradition stets einen Symbol- und Sinngehalt mit sich trugen. Bei Beckmann ist die Zusammenstellung von Dingen in seinen Stilleben inhaltlich bestimmt. Er gleicht alles in seiner stofflichen Qualität aneinander an, der dingliche, plastische Charakter bleibt in seinen Werken stets bestimmend. Vermutlich dienten diese Bilder dazu, die kompositionellen Grundlagen seiner Kunst immer wieder zu überprüfen. Doch bei den Deutungen zu seinen Bildern wird fast immer versucht, aus den formalen Eigenheiten einen emblematischen Sinn abzuleiten, der sich in sein kompliziertes Weltbild einfügen läßt. Was bedeutet das Sujet Stilleben für Sie?“

LK: „Stilleben kommen nebenbei, vor allem in den früheren Bildern, öfter vor, in La terra ferma zum Beispiel, um der Bildsituation eine etwas ironische Opulenz zu verleihen. Es gibt auch Stillebenelemente als Zitate pompeianischer Wandmalereien mit eher schmückender Funktion. Gewöhnlich ist es ein Attribut, das weniger mit der Gegenwart zu tun hat als mit dem Historischen, dem Vergangenen, auf das angespielt wird. Im Notturno-Stilleben wollte ich das Aufblitzen eines historisch vergangenen Moments malen, diese Gleichzeitigkeit der Erinnerung der Substanz und der Vergänglichkeit, des Toten und des Lebendigen. Geschichte ist Aufhebung des Todes und sie ist tote Natur, „nature morte“. Das zu malen ist mir da nicht gelungen.

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