aktuelles

bilder

texte

interpretationen

dokumentation

links

kontakt

Inszenierungen auf der Leinwand
Auszüge aus einem Gespräch mit dem Maler und Philosophen Leander Kaiser über das Theatralische in der Malerei
Irene Prugger/Leander Kaiser, Innsbruck 1994
INN, Zeitschrift für Literatur, 11. Jg., Nr. 33, November 1994, S. 10-13.
pages: 1 | 2 | 3 | 4 | 5 | 6 | 7 | 8 | 9
|

Das Symbolische in der Kunst war ja nichts Neues. Die mittelalterliche Kunst ist weit symbolhafter als die der Renaissance. Ich meine natürlich nicht die symbolischen Formen der Kultur im allgemeinen, sondern nur die Verwendung bestimmter Symbole für die Darstellung von Ideen und Vorstellungen. Bei der Darstellung des heiligen Markus zum Beispiel war vor allem der Löwe wichtig. Der Symbolismus des 20. Jahrhunderts aber verwendet Symbole, die nicht mehr einer allgemein verbindlichen Weltanschauung entstammen, sondern jeweils individuelle, also in ihrer Bedeutung unbestimmte Symbolisierungen sind. Diese Entwicklung hat natürlich auch beim Bühnenbild des Theaters stattgefunden.

Im großen und ganzen gibt es in der Kunst zwei Wege, Bedeutung zu geben oder zu erklären: den symbolisch-transzendenten und den diesseitigen Weg über das menschliche Verhalten. Die Antike und die Renaissance haben den zweiten Weg beschritten, das Mittelalter und zum Teil wieder das 20. Jahrhundert den ersten. In gewisser Hinsicht war die Hitler-Bildnerei nicht weniger symbolisch als Guernica. Die Errungenschaften der Renaissancemalerei sind entweder sehr platt verstanden oder abgelehnt worden.

Bewußte Inszenierung

Das Theatralische in der Malerei hat für mich eine tiefe Bedeutung. Der Mensch verhält sich ja nicht nur zu seiner Umwelt, sondern immer auch zu den anderen Menschen. Der Mensch agiert auch im normalen Leben auf einer Bühne. Wenn die Malerei den Menschen als spezifisch menschliches Wesen ernst nimmt und ihn nicht bloß als Vorwand für abbildende Darstellung gebraucht, dann kann sie nicht auf die theatralischen Elemente verzichten. Theaterbühne und Malerei haben ja gemeinsam, daß Menschen dargestellt werden, die ihrer Umgebung gegenüberstehen und die dem Publikum bzw. dem Betrachter die Möglichkeit geben, sich einerseits in diese Gegenüberstellung hineinzuversetzen und andererseits diese Gegenüberstellung als Objekt von sich zu distanzieren.

<<< / >>>