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Inszenierungen auf der Leinwand
Auszüge aus einem Gespräch mit dem Maler und Philosophen Leander Kaiser über das Theatralische in der Malerei
Irene Prugger/Leander Kaiser, Innsbruck 1994
INN, Zeitschrift für Literatur, 11. Jg., Nr. 33, November 1994, S. 10-13.
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Wenn man nur Stilleben, Landschaften usw. malt, kann man leicht sagen, das Theatralische spiele für die Malerei keine wichtige Rolle. Bei Figurenbildern, die ja auch etwas erzählen wollen, ist das anders. Die Bühne ist eine Metapher für die Welt. Und zugleich ist das Bühnenhafte eine gute Methode der Verfremdung und eine Form der Irrealität. Der Betrachter weiß: Das, was er sieht, ist für ihn auf der Leinwand inszeniert; es ist weder selbst Realität noch ein Abbild einer Realität, die so irgendwo existiert.

In sogenannten Objektinszenierungen sind die theatralischen Elemente besonders stark vertreten. Aktionskünstler wie Nitsch praktizieren extrem dramatische Ausdrucksformen, und Installationen nähern sich heute auch im Größenausmaß einer Bühnenausstattung. Bei der Farbfeldmalerei – also bei den ganz großen Bildern – wird sogar der Betrachter als Schauspieler im Bühnenrahmen des Kunstwerks aufgefasst. Die Rolle, die er zu spielen hat, ist Versenkung ins Kunstwerk, Fasziniertheit, Überwältigtheit. Je weiter wir uns dem Ende dieses Jahrhunderts nähern, desto mehr finden wir wieder die theatralischen Momente in der bildenden Kunst.

Spiel mit der Schaulust

In der Antike war die Malerei vollständig besetzt durch theatralische Ereignisse, durch Feste und Umzüge – also durch kollektive Geschehnisse, die allen Bewohnern der Polis bekannt waren.
In der griechischen Vasenmalerei wurden fast nur Theaterszenen wiedergegeben. Was wie eine Alltagsszene ausschaut, ist in Wirklichkeit eine Szene aus der Komödie. Die Malerei war hauptsächlich dazu da, diese Ereignisse zu erinnern. Es gab keinen selbständigen künstlerischen Zugang zur Wirklichkeit auf der Ebene der Malerei. Die Malerei übernahm einfach die szenische Phantasie des Theaters. Ein eigener Zugang zur Wirklichkeit kann der Malerei erst ab der Renaissance zugeschrieben werden. Die Künstler dieser Epoche haben zu einer anschauenden Erkenntnis gefunden, die zwischen gesellschaftlicher Theorie und Praxis liegt.

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