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Inszenierungen auf der Leinwand
Auszüge aus einem Gespräch mit dem Maler und Philosophen Leander Kaiser über das Theatralische in der Malerei
Irene Prugger/Leander Kaiser, Innsbruck 1994
INN, Zeitschrift für Literatur, 11. Jg., Nr. 33, November 1994, S. 10-13.
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Wenn ich Menschen male, dann geschieht das nicht zufällig, sondern in einer bewussten Inszenierung – ich bringe die Menschen sozusagen auf die Bühne. Ich behaupte sogar für mich, daß ich meinen Figuren dieses Bewusstsein, daß sie auf der Bühne agieren, implizieren möchte. Auf der Theaterbühne wird die Handlung natürlich durch Worte vorangetrieben, dennoch gliedert man ein Stück „in Bilder“. Shakespeare war ein Meister darin, die Handlung des Stückes in einem Schlussbild zusammenzufassen.

Das Theater ist allerdings nicht zur Komplexität in der Simultanität gezwungen, weil das Geschehen in einem Nacheinander abläuft. Ein gemaltes Bild muß im Simultanen sofort erfassbar sein, es soll kein Vorher und Nachher zur Erklärung herangezogen werden müssen. Dieser Vorgang beschränkt sich allerdings nicht auf den Augenblick. Es braucht auch einen gewissen Zeitraum, in der die Rezeption durch den Betrachter vor sich geht.

Ich denke, daß ein sozusagen anthropologisches Bedürfnis ist, sich ein Bild machen zu wollen – also auch nach außen hin nicht sichtbare Vorgänge konkret anschaubar und in weiterer Konsequenz dadurch überschaubarer zu machen. Wir wollen klare Modelle der Abläufe bekommen wie etwa im Schlussteil eines Kriminalromans, wenn die Zusammenhänge aufgedeckt werden. Solche Bilder bringen wir allein mit unserer Phantasie nicht zustande, wir brauchen dazu ein sinnlich ausgearbeitetes Gegenüber. Das kann uns dabei helfen, neue Orientierungsmöglichkeiten zu finden. Allerdings ist es nicht die Aufgabe der Kunst, unmittelbar anwendbare Modelle aufzuzeigen. Gerade darauf, daß die Bereicherung durch ein Kunstwerk zunächst als etwas Luxuriöses, Überflüssiges erscheint, beruht ja die relative Autonomie der Kunst.

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