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Die Gegenwart der Perspektive
Nachträgliches zum gleichnamigen Symposium 2009 im Rahmen der Innsbrucker Gespräche über Ästhetik
Leander Kaiser, 2010
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Abweichungen hievon sind vom Futurismus an immer zahlreicher geworden und haben die Gegenständlichkeitsform des Bildes mehr oder weniger zersetzt und verlassen. Es wäre hier zu unterscheiden zwischen künstlerischen Unternehmungen, die im Spannungsverhältnis zur Perspektive stehen (der Kubismus und Futurismus zum Beispiel), solchen, die das perspektivische Raumdenken in anderen Formen als der des Bildes praktizieren (so teilweise der Minimalismus), schließlich solche, wo sich die Spur der Perspektive im zeitlichen Auseinander und Nebeneinander der Objekte verliert (wie bei den meisten Installationen).

Es wäre zu diskutieren, ob es ein von der Perspektive verschiedenes, aber ihre Anwendung nicht notwendig ausschließendes Paradigma der Raumdarstellung in der Kunst des 20. und 21. Jahrhunderts gibt. Ein Kandidat dafür wäre die Tendenz sehr vieler Kunstwerke, den Raum des Betrachters selbst zu bespielen und zu einem Bestandteil des Werks zu machen. Diese Entwicklung gibt es ja auch im Theater. Ich erinnere an den Ausgriff des Futurismus und Dadaismus in den architektonischen Raum; näher bei der Gegenwart und in der Sache klarer sind hier Werke der amerikanischen Farbfeldmalerei (zum Beispiel Barnett Newmans „Vir heroicus sublimis“, detto die Bilder Rothkos, die den Betrachter in ihre Farbsphäre eintauchen lassen sollten) und erst recht die Installationskunst. Auch bei figuraler Malerei entsteht oft das Paradox einer umgekehrten Perspektive (hier nicht im Sinne von Florenskys Ikonen-Theorie), die den Raum zwischen Bild und Betrachter als TIEFE erfahrbar macht. Nebenbei bemerkt scheint mir Pierre Bonnard der Erste, der dieses Phänomen durch den bewussten Einsatz von Farben mit unterschiedlichen Apperzeptionsgeschwindigkeiten hervorgerufen hat.

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