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Antworten auf Ellens Fragen
Im Rahmen Ihrer Magisterarbeit "Zur Interpretation des malerischen Werks von Leander Kaiser in der Zeit von 1988 bis 2011 anhand ausgewählter Bildbeispiele" legte Ellen Tiefenbacher Kaiser eine Reihe von Fragen vor, die diesen veranlassten, seine gegenwärtige künstlerische Position zu formulieren.
Wien, im Jänner 2013
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LK: Es muss nicht von vornherein wichtig sein, wenn mir die Begierde
kommt, ein Motiv oder eine Form der alten Malerei in die Gegenwart meiner
Malerei zu transportieren. Es ist von Nutzen: weil ich dadurch lerne, mein
Repertoire erweitere und überprüfe; und es beweist als Bild die Tragfähigkeit
von Bildgedanken. Ich male das zunächst, weil es mir nicht aus dem Kopf
gegangen ist. Es ist zugleich eine Erinnerung an die überzeitliche Gegenwart
von Bildern, wenn man so will, ein Versuch, ihre heutige Wahrheit
herauszudestillieren, und eine Kommunikation mit dem Urheber dieser
Bilder. Für den Betrachter soll es ein Hinweis sein, dass meine Bilder als
Bestandteil der „poesia universalis“ der Malerei zu sehen sind, dass alle meine
Bilder etwas bewusst „Intertextuelles“ haben, wie man das in der Literatur
nennt. Es ist eine Stellungnahme gegen den Wahn voraussetzungsloser
Originalität, die aus der Singularität einer persönlichen Eigenart entspringt,
und gegen den „Provinzialismus der Zeit“, wie T.S.Eliot das Verhaftetsein in
einer Welt der Lebenden, der die Toten nichts angehen, für die die Geschichte
nur eine Reihe vergangener, gescheiterter Projekte darstellt, genannt hat.
ET: Ist es ihnen wichtig, dass der Betrachter erkennt, dass eine
Auseinandersetzung mit der Kunstgeschichte vorhanden ist, oder geht es
ihnen dabei um etwas ganz anderes?
LK: Nun eigentlich geht es nicht um Kunstgeschichte sondern um die
Geschichte und die Präsenz der Bilder, um bestimmte Themen und um die
dem Material der Malerei einverleibten Gestaltungsmöglichkeiten. Die
Erinnerung an frühere Gestaltungen ist nicht Selbstzweck, sondern ein
Moment der gesamten Bildformulierung. Dieses Moment ist – keineswegs
immer – für mich wichtig, um den Bildern sozusagen ein Wissen um das
Bezugsystem, in dem sie stehen, mitzugeben. Dieses Wissen kann vom
Betrachter aktiviert werden, soll aber weder die Hauptsache noch der
Schlüssel für die Lesbarkeit des Bildes sein. Kunstgeschichtler neigen von
Haus aus dazu, jene Verweise etwas zu wichtig zu nehmen, und gehen damit
leicht an der Sache vorbei: nämlich sich vom Bild „ins Bild setzen zu lassen“.
Die Lesbarkeit meiner Bilder bedarf nicht der Kunstgeschichte. Viel
bedeutender ist ja die menschliche Situation, die Geste, die Handlung im
Verhältnis zur Struktur des Raumes; und es sind immer heutige Menschen
mit wenigen Ausnahmen, die bei mir figurieren. Sogar Adam und Eva auf
dem Bild „Vertreibung aus dem Paradies nach Masaccio“ sind heutige
Menschen, weil Masaccio auch der erste war, der moderne, weder antike noch
mittelalterliche Menschen gemalt hat. Die Menschen Giottos gehören noch
dem Mittelalter an, obwohl seine Malerei schon darüber hinaus geht.
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