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Gespräch Michael Ley und Leander Kaiser

Wien, 2004
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ML: Du thematisierst also Menschen, deren Bindungen immer loser werden, deren Identität immer fragiler wird, und die offensichtlich nach einem neuen Sinn suchen. Was mir auffällt, ist, dass in deinen Bildern häufig gerade Männer die Suchenden, oft die Verzweifelnden darstellen. Würdest du mit dieser Interpretation übereinstimmen?

LK: Das ist kein Bewusstes, aber es wird schon stimmen, weil ich ein Mann bin. Übrigens, ich glaube, das ist von Pascal: Nur die kann ich anerkennen, die verzweifelt suchen.

ML: Wer sind deine, falls überhaupt vorhanden, Vorbilder? Öfters sprichst du von Beckmann und von Goya, die für dich eine hohe Bedeutung haben.

LK: Ja, wahrscheinlich waren diese beiden die dauerhaftesten und stärksten Begegnungen für mich. Die Priorität gehört Goya, von dem meine Mutter zwei Radierungen besessen hat, die im Wohnzimmer gehangen sind, aus den Capriccios. Diese Sprache nämlich, die zugleich realistisch und phantastisch ist, die immer eine Bildidee formuliert, die in ihrer eigenen Dimension existiert und zugleich versucht, menschliches Verhalten präzise zu schildern, frei von irgendwelchen weltanschaulichen Vorgaben sowohl der antiken Mythologie wie der Kirche, ist der Beginn, der wirkliche Beginn der modernen Kunst im säkulären Sinn.
Und Beckmann war der im 20. Jahrhundert, der diese Tradition – glaube ich – in der bisher gültigsten Form weitergeführt hat, indem er die theatralische Situation als Irrealisierung des Geschehens eingeführt hat, was einen neuen Zugriff auf Realität ermöglicht hat durch diese Künstlichkeit der Inszenierung hindurch, eine Weiterentwicklung der Allegorie, die den Symbolismus in gewisser Weise überwindet. Es handelt sich hier nicht um Bezüge zwischen einzelnen Dingen, die als Sinnbilder verwendet werden und allgemeinen Bedeutungen, sondern um den Gesamtbezug des Bildes als Verweiszusammenhang auf die Wirklichkeit.

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