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Gespräch Michael Ley und Leander Kaiser

Wien, 2004
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ML: Wir haben alle gelernt, moderne Kunst als Opponenten – Gegner – der Totalitarismen zu sehen. Also: die autonome Kunst lässt sich nicht vereinnahmen. Nun sprichst du von dem Zusammenhang, von Totalitarismen und moderner Kunst. Haben wir Jahrzehnte in einer Verblendung gegenüber den eigenen Ansprüchen der modernen Kunstavantgarden gelebt?

LK: Das kann man sagen. Man hat nach 1945 absichtlich die ganze Geschichte der Abstraktion und Moderne verfälscht und aus der Tatsache, dass diese Kunstreligionen mit ihrem totalitären Anspruch in der Konkurrenz mit den politischen Religionen natürlich den Kürzeren gezogen haben, den Schluss gezogen, dass sie von vornherein im Widerspruch zum Kommunismus und Faschismus gestanden wären. Das war aber nicht von Anbeginn der Fall. Große Teile der Kunstgeschichte vom Symbolismus bis zur Abstraktion gehören ganz eindeutig zur ideologischen Vorgeschichte des Nationalsozialismus.

ML: Nun kennt die oft geschmähte Analyse den Begriff der Anamnese, also der Wiedererinnerung, als Voraussetzung zur Heilung von Krankheitssymptomen. Kann man diese Begrifflichkeit auf die moderne Kunst anwenden? Ist die moderne Kunst – die Avantgardekunst – ein Krankheitsphänomen? Eine Kulturpathologie, die man gleichsam nur dann heilen kann, wenn man anamnetisch sich wiedererinnert und versucht, diese Kulturpathologie – falls es eine ist – wieder aufzuheben?

LK: Meines Erachtens gehört der Großteil der modernen Kunst in den Bereich des Symptomatischen. Des Symptomatischen insofern, als die wirklichen Antriebe nicht thematisiert werden. Vieles erscheint geradezu als bewußtloses Herumwerken. Das entspricht einer modernen Bewußtseinsform, dem Registrierend – Reagierendem Bewußtsein.

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