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Ecce Homo - Menschwerdung und moderner Antihumanismus
Referat im Rahmen der Innsbrucker Gespräche über Ästhetik 2007
Leander Kaiser, Wien, Oktober 2007

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Zudem darf nicht übersehen werden, dass die Ikone schon den Gründervätern der ungegenständlichen Malerei in den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts Vorbild für eine neue religiöse, aber nicht-christliche Kunst war; und dass aus dieser Ästhetik, die sich tatsächlich als Mittel der Verwandlung des Menschen in eine Art feinstoffliches Geistwesen verstand, jene Kirchenkunst hervorgegangen ist, deren Armseligkeit Joseph Ratzinger in die Nähe des Ikonoklasmus, d.h. der Häresie bringt.

Der historische Bezugspunkt in der Geschichte christlicher Kunst, der aus der heutigen Debatte herausfällt, ist die ganze Malerei und Plastik des Spätmittelalters und der Renaissance, von der Protorenaissance des 13. jahrhunderts bis hin zu Caravaggio, den man den ersten Maler des Barock aber mit guten Gründen auch den letzten Maler der Renaissance nennen kann. Dabei waren Spätgotik und Frührenaissance im 19. Jahrhundert und im frühen 20. Jahrhundert ästhetische Paradigmata der Kirchenkunst. Der Verdiesseitigung der Gehalte der christlichen Religion in der Frühhrenaissance entspricht aber bei den Nazarenern eine Verniedlichung und Verkindlichung sowie die falsche Innigkeit der Sentimentalität. Erst recht in der zeitgleichen Historienmalerei wird das Bild des Menschen zum Illustrationsmaterial vergangener Geschehnisse, die illusionistisch vergegenwärtigt werden.

Joseph Ratzinger deutet die Kunst der Renaissance als Kult der Schönheit und der Größe des Menschen, als einen Anthropormophismus, der jedoch der „tragischen Last der Antike“ vergessen hat. Sie sei „keine sakrale Kunst im eigentlichen Sinn“, denn sie füge „sich nicht in die Demut des Sakraments und seine die Zeit überschreitende Dynamik hinein“ (ebenda). Er folgt in seiner Einschätzung der Renaissance bürgerlich-liberalen Vorstellungen des 19. Jahrhunderts, die die genauere Untersuchung längst als haltlos erwiesen hat.

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