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Ecce Homo - Menschwerdung und moderner Antihumanismus Referat im Rahmen der Innsbrucker Gespräche über Ästhetik 2007 Leander Kaiser, Wien, Oktober 2007 pages: 1 | 2 | 3 | 4 | 5 | 6 | 7 | 8 | 9 | 10 | 11 | |
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Die Kunst, die ich meine, nämlich die nichtgegenständliche Variante des Symbolismus, ist nach 1945 zuerst in Deutschland, später in Österreich zum Bewußtseinsornament eines kosmopolitischen Antihumanismus geworden, einer Enttäuschung über den Menschen im Allgemeinen, die den Antisemitismus gewissermaßen verallgemeinert, und hinter der sich das Gefühl einer Schuldhaftigkeit und die Unfähigkeit zu Trauern verbirgt. Zu trauern über den Verlust des Liebesobjektes und die eigene irrige Liebe zu dem Führer Adolf Hitler. Im kosmopolitischen Antihumanismus, der derzeit wieder ökologistische Blüten treibt, sind alle Menschen zu Untermenschen, letztlich zu einem parasitären Akzidenz der Natur geworden. Nicht zufällig war es ein deutscher Philosoph, Ulrich Horstmann, der als erster in den 80er Jahren des letzten Jahrhunderts für den „Abschied von der Menschheit“ plädiert hat. Aus der deutschen und österreichischen Geschichte, aus der Zeit des Nationalsozialismus bleiben zwei theologische Traumata. Erstens ist die Theodizee, die Rechtfertigung Gottes in der Geschichte, für die Täter, für die Schuldigen und noch mehr für die bloß Schuldbewußten schwerer zu schaffen als für die Opfer. Die einen bereuten nicht und die anderen übten sich in stellvertretender Reue. Und diese Enttäuschung an Gott, der die Menschenheitskatastrophe geschehen ließ, und an der Kirche, die keine Absolution erteilen kann, wird noch durch ein zweites Trauma verstärkt, auf das der große italienisch-deutsche Theologe Romano Guardini in seiner kleinen Schrift „Der Heilbringer in Mythos, Offenbarung und Politik“ bereits 1945 hingewiesen hat. |
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