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Das Licht des Gegenwärtigen
Bemerkungen zu einigen Bildern von Leander Kaiser
Carla Babini, Wien 2008, Übersetzung Leander Kaiser
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deutsch / italiano

Von solchen Überlegungen und Einflüssen geht Kaiser ohne Zweifel bei einem in diesem Sinne beispielhaftes Werk aus. Bei „Nachdenken über Piero“ handelt es sich um die Neuinterpretation eines Details aus Pieros „Der Traum Konstantins“ (aus dem Freskensyklus zur „Geschichte des Kreuzes“ in San Francesco zu Arezzo). Ein junger Mann, der in einem Zustand zwischen Schlafen und Wachen scheint, befindet sich in einer ungewöhnlichen Szenerie mit bühnenbildartiger Perspektive. Der Raum ist von warmen tiefen Rottönen erfüllt. Vor dem jungen Mann erhebt sich eine Reihe von stilisierten Pfeilern, die mich an eine Stadtlandschaft in der Art Boccionis erinnern.

„Der Halbschlaf der Vernunft“ (ein Untertitel, der sehr treffend für dieses Bild sein könnte) vereinigt in exemplarischer Weise die in den Raum aufgelöste Zeitlichkeit mit einem, nach meiner Ansicht im Werk Kaisers unübersehbaren, Element: „das Sein in der Zeit.“ Der malerische Raum wird zur Szenerie, in der die menschliche Existenz in ihrer sozialen und politischen Dimension (im Sinne der Politeia des Aristoteles) dargestellt und kontextualisiert wird. Die Malerei wird hier zur Darstellung eines Ereignisses, das ganz seiner Zeit gehört und zugleich aufgehoben ist in eine Zeitlosigkeit, die es in die Gegenwart versetzt.

Dabei spielt die Arbeit mit dem Licht eine fundamentale Rolle: Licht als Teil der Natur, als die Dimension, in der Personen und Dinge Gestalt annehmen („Leben“, im absoluten Sinn des Begriffs). Ein Licht, in das sie aber zugleich eingetaucht scheinen wie in ein unerklärliches Fluidum, eine Art Hyperrealität, wie im Zustand der Halluzination. Dieses – allerdings nur scheinbare - Paradox ist meines Erachtens eine visuelle Metapher des rationalen Bewußtseins, das Kaiser den Personen seiner Bilder zuerkennt, speziell dem jungen Protagonisten des Werks, von dem die Rede war. Das diffuse Licht, das die Person einhüllt und in gewisser Weise beschützt, macht sie zugleich nahe und fern, setzt sie in eine Art „absoluter Gegenwart“, zeitlos und aktuell zur selben Zeit, in der Erwartung eines Ereignisses, das paradoxerweise gerade vorgefallen ist, oder aber in allernächster Zukunft stattfinden wird.

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