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Pinselunterhaltungen am Traumbach
Zum Buch Allegorien des Blicks von Leander Kaiser mit Texten von Mechthild Podzeit-Lütjen
Verlag Brandstätter, Wien 2008

Veronika Seyr, Wien 2008
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Ich will das Buch als Buch, als Gegenstand, als Objekt, als in eine bestimmte Form gebrachte Ansammlung von Materialien beschreiben. Für einen Kunstkatalog ist es nicht besonders groß und umfangreich, 24 mal 28 cm und mit gerade mal 110 Seiten auch nicht besonders dick. Obwohl mit diesen Maßen  weit entfernt davon, ein Taschenbuch zu sein, habe ich den Eindruck, es doch immer und überall hin mitführen zu können und zu müssen. Mit welchem Maßstab, welcher Goldwaage haben die Buchmacher dieses Idealmaß gefunden, das  genau richtig in der Hand liegt. Es ist eine Körperempfindung, die durch die Hände geht, ohne dass ich die Augen öffnen muss. Ähnliche „blinde“ Gefühle ruft das Papier hervor: es ist weich und fest zugleich, es spürt sich an wie Seide und Duchesse, und auf der Haut der Fingerkuppen entsteht der Eindruck von Seife. Lasse ich die haptischen Erlebnisse hinter mir und öffne die Augen, schlägt mir vom Schutzumschlag hauptsächlich ein Scharlachrot entgegen, auf dem Pappband darunter ein Hellorange und auf den Vorsatzblättern im Inneren das wärmste Hellbraun unter allen Lachstönen. Die Seiten haben elfenbeinfarbenes Papier, das den greifenden und tastenden Fingern wie Samt entgegen kommt. Der Schrifttypus ist für mich nicht eindeutig einordbar, Antiqua–artig schätze ich, mit ziemlich ausladenden Serifen.
Aber was mich viel mehr beeindruckt, ist die nicht ganz schwarze und auch nicht graue Farbe der Buchstaben, die sich wie Nebenschwaden über die Seiten angeordnet haben. Wer mag diese Farbe ausgesucht und komponiert haben? Der Drucker, der Grafiker oder der Maler?
Andere haben schon viel Kluges und Schönes über den geglückten Reigen von Maler und Dichterin umeinander geschrieben, über ihren Rollentausch, die Bilder zu lesen und die Gedichte zu sehen. Aber mir gibt das Buch noch etwas anderes.
1. Quelle: Kraft und Trost. Ein Buch wie die „Allegorien des Blicks“ (man kann nicht leicht sagen, in der Tasche) zu haben, bedeutet gerade in unglücklichen Zeiten nicht weniger als das: eine beglückende, andere Welt mit sich zu führen. Seit jeher ist mir das bloße Vorhandensein eines gern gelesenen oder betrachteten Buches ein Kraft- und Trostspender. Man könnte es auch als „Fluchtburg“ bezeichnen.

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