aktuelles

bilder

texte

interpretationen

dokumentation

links

kontakt

STORIE

Leander Kaiser, 1988
pages: 1 | 2 | 3 |

Was mich am Historismus interessiert, ist nicht die Rückkehr zu den alten Formen (obwohl man immer wieder an alte Formen anknüpfen muß, um neue zu erfinden). Was mich reizt, ist, dem Bildgegenstand oder Thema die Form eines Vergangenen zu geben und dann in der malerischen „réalisation“ zu überprüfen, wie weit und auf welcher Realitätsebene (des Symbolischen, Zitierten, als Tatsache Erinnerten, Sinnlich-Realen usw.) ihm gegenwärtige Wirklichkeit zukommt. Die Sache wird mitunter so dargestellt, als hätte sie sich irgendwann schon irgendwo dargestellt gefunden, oder als wäre ein bisher ungekanntes Bild einer früheren Epoche plötzlich zum Spiegel meiner heutigen Idee geworden. Der Bezug auf pompejanische Wandmalereien (die ja lange genug ungekannt unter der Erde lagen) gehört hierher. Nur ist das für mich eine Methode der Darstellung und kein Erlebnis des Sich-Wiedererkennens, wie es die Renaissance-Künstler mit der antiken Plastik, die Klassizisten mit der altrömischen Malerei hatten. Im Übrigen ist auf anderer Ebene der Bezug zu Caravaggio (dem ich sogar ein paar Figuren entwendet habe), zu Tizian und zu Goya nicht minder stark.

Mein Ausgangspunkt sind nicht Mythen, historische Berichte und dergleichen, sondern Figuren und Konstellationen, die in meiner Phantasie, in verschiedenen Entwürfen und Vorstufen existieren, von denen ich wissen will, was es mit ihnen auf sich hat, in welche Zusammenhänge, an welche historischen Orte sie gehören, und in welchem Verhältnis diese geschichtlichen Substanzen zur Gegenwart und zu mir stehen. Das ist zugleich eine Entwicklung des Themas und ein Zurückgehen auf die Beweggründe, die mich auf es gebracht haben. Es passiert, daß ein Bild sozusagen durch mehrere Epochen wandert, bevor seine historische Ortung gelingt. Hier herrscht jedenfalls Skepsis in der Leidenschaft. Der Prozeß der Malerei (ein Denken, das zwischen dem entstehenden Bild und mir vor sich geht) ist abgeschlossen, wenn der Maler durch das Bild zur Ahnung des Begriffs und das Bild durch den Maler zur Klarheit des Gestaltung gekommen ist. Klarheit meint, daß Bewußtheit und Sinnlichkeit Hand in Hand gehen. Was dann auf dem Bild im Effekt nicht vorhanden ist, ist auch dahinter (in meinem Kopf) nicht anzutreffen: eine literarische Geschichte, die das Bild erklärt.

<<< / >>>